's Heftpflaster

    's Heftpflaster 0323

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    Wolken im Kopf

    Alles lag schon bereit auf der Küchenanrichte: das saftige Plätzli, dazu Kartoffeln und frische Bohnen. Dennoch, in die Pfanne schafften sie es nie. Wieso nur fiel Rosa das Kochen so schwer?

    Text Monika Wieser, Leitung HomeCare Nordstern

    Unschlüssig stand die Rentnerin Rosa in der kleinen Küche. Eigentlich wollte sie sich heute ein feines Mittagessen kochen – wieder einmal. Die Pfanne hatte sie bereits in der Hand, da ploppte der Gedanke aus dem Nichts auf: «Wann habe ich eigentlich das letzte Mal mehr als eine Pfanne benutzt?» Wann kochte sie sich das letzte Mal ein vollwertiges Menü, wie sie es täglich tat, als ihr Hans noch lebte? Hans, ihr geliebter und geschätzter Ehemann. Warum nur ist er gegangen? Rosa hing den Erinnerungen nach und wurde traurig. Sehr traurig. Die Lust am Kochen schwand und dunkle Gedanken zogen wie ein 
    Gewitter an einem Sommerabend auf. Einmal mehr blieb der Herd kalt.

    Dieses Gefühl war für Rosa altbekannt. Seit der Geburt ihrer Kinder bestand ihr Leben aus Berg- und Talfahrten. Nur wurde sie bisher von Hans aufgefangen, bevor sie aufprallte. Auf seine Weise. Seine mentale Stärke zeichnete ihn aus wie auch seine Feinfühligkeit. So erkannte er die ersten Zeichen oftmals früh genug und versuchte, Gegensteuer zu geben. Er half ihr, Zweifel, Ängste und negative Gedanken auszuformulieren und sie zu beschreiben, als stehe sie vor einem Bild, dass von der Farbe Schwarz dominiert wurde. Geduldig und mit einem offenen Ohr verstand er es, dem dunklen Bild einen bunten Farbklecks zu verpassen. Natürlich suchte sie auch ärztliche Betreuung und fand Medikamente, die sie unterstützten. Von ihrem Arzt wusste sie, dass depressive Verstimmungen erblich bedingt seien.

    Plötzlich läutete es an der Tür. Rosa schreckte auf und schüttelte den Kopf, um ihre düsteren Gedanken zu vertreiben. Verdutzt stellte sie fest, dass sie zusammengesunken auf der Eckbank im Esszimmer sass. Wie ein schweres Tuch lastete ihr die Antriebslosigkeit und Müdigkeit auf den Schultern. Auch das Hungergefühl war weg. Es klingelte ein zweites Mal und Rosa nahm einen tiefen Atemzug und ging anschliessend zur Haustüre. Sie blickte ihrer Nachbarin Irma entgegen, die sie zum Seniorentreff im Kirchgemeindehaus mitnehmen wollte. Da sie keine passende Ausrede bereit hatte, ging sie mit. 
    Glücklicherweise fuhren sie im Auto von Irma zum Treffpunkt. Bis zum Kirchgemeindehaus war es zwar 
    nicht weit, aber selbst das kurze Stück strengte Rosa an und sie merkte, dass ihre Beine sie kaum mehr tragen konnten.

    War das nun ein Zeichen des Himmels, dass gerade an diesem Nachmittag eine Referentin über die Ernährung im Alter sprach? Plötzlich wurde Rosa klar, dass sie ausser der einen Brotscheibe mit Butter und Konfitüre am Morgen noch nichts gegessen hatte. Wie gut, dass anschliessend ein richtig reichhaltiger «Z’Obed» mit heissem Schinken, Kartoffelsalat und verschiedene anderen Salaten aufwartete.

    Leider bekam Rosa vom Vortrag nicht sehr viel mit. Immer wieder schweifte sie in Gedanken ab. Ihr fiel auf, dass die Bauersfrau von den Höfen ausserhalb des Dorfes heute fehlte. Wie es ihr wohl gehen mochte? Und der ehemalige Gemeindearbeiter, dessen Frau vor drei Wochen gestorben war, sass ganz still auf seinem Stuhl und lauschte gespannt. Erst als die Pianistin ein Lied anstimmte, kehrte auch Rosa wieder von ihrem Gedankenspaziergang zurück. Singen, das mochte sie. Vor allem, wenn der Gesang vom Klavier oder einer Gitarre begleitet wurde.

    Den Teller mit dem Schinken und den Salaten konnte sie nicht ganz bezwingen, aber es schmeckte Rosa. Als Irma sie fragte, wie ihr der Vortrag gefallen hatte, wurde sie etwas verlegen, da sie nicht detailliert antworten konnte. Zum Glück hatte die Referentin eine passende Broschüre zum Thema verteilt: Bettlektüre! Ja, Rosa nahm sich vor, sie noch heute zu Hause zu lesen.

    Und so griff Rosa am Abend – eingekuschelt in ihren Lieblingssessel und mit einem Tee auf dem Beistelltisch – zur Broschüre. Etwas flau wurde ihr, als sie merkte, wie sehr sie das Thema betraf. Fast bereute sie, dass sie den Vortrag «verschlafen» hatte. Die Broschüre trug den Titel «Ernährung in schwierigen Zeiten». Wie passend! Interessiert lass sie Seite für Seite. Erleichtert stellte sie fest, dass diese Problematik nicht nur ihr Mühe bereitete. In der Broschüre fand sie ein Einlageblatt der Kirchgemeinde, das sie besonders ansprach. Darin wurde ein neues Angebot vorgestellt, bei welchem Senioren alle zwei Wochen an einem gemeinsamen Mittagessen im Stübli des Gemeindehauses teilnehmen konnten. Anschliessend ans Essen wurde zusammen gesungen oder gespielt. Gesellschaft, Menschen, Austausch, Essen – das klang genau nach dem, was ihr fehlte. Sie fasste sich ein Herz: Sie wollte es versuchen, wenigstens das. Hans hätte es so gewollt.

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