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    «Schlafmangel und Insomnie sind nicht dasselbe»

    Der Somnologe Dr. Daniel Brunner klärt die gängigsten Missverständnisse über den Schlaf auf und erläutert Gründe, wieso sich diese so hartnäckig halten.

     

    Welche Missverständnisse und Falschinformationen gibt es über Schlaf?

    Viele Menschen glauben, dass nur wer durchschläft, einen gesunden Schlaf geniesst. Leider wurde irgendwann vergessen, dass man vor der Erfindung der Glühbirne oft einen Schlafunterbruch in der Mitte der Nacht hatte. Dies war und ist eine natürliche Konsequenz einer langen Bettzeit. Früher wurde diese nächtliche Wachzeit genutzt – heute meint man fälschlicherweise gleich, dass es ein Indiz für einen schlechten Schlaf sei. Anstatt sich an der Idee des Durchschlafens festzuklammern, sollte man sich am Morgen besser fragen, wie man sich fühlt und ob körperliche Beschwerden bestehen. Denn das Leiden entsteht eventuell erst dann, wenn der Schlaf nicht einer gewissen Vorstellung entspricht. Auch brauchen nicht alle Menschen acht Stunden Schlaf, wie es vielerorts zu lesen ist. Jemand, der weniger braucht, aber meint zu wissen, dass acht Stunden ideal seien, schafft sich damit selbst ein Problem und liegt dann die überschüssige Zeit wach im Bett.

    Weiter ist mir die Unterscheidung zwischen Schlafmangel und Insomnie wichtig. Jemand, der sich den Schlaf einfach nicht gönnt, braucht eine ganz andere Therapie als jemand, der an Insomnie leidet. Ersterer sollte genügend Zeit zum Schlafen einplanen und beispielsweise keinen Wecker stellen, um den Schlafmangel abzubauen. Zweiterer hingegen braucht zwingend einen Wecker, damit er die Verantwortung, rechtzeitig aufzustehen, an den Wecker übertragen kann und in der Nacht nicht auf die Uhr schauen und sich so unnötigen Frustrationen aussetzen muss.

    Auch wird der Tiefschlaf von Medien ständig grossgeschrieben. Klar, das Wort ist einfach zu erfassen, hat aber je nach klinischer Situation und Klage unterschiedliche Bedeutungen. Eine Person mit Schlafapnoe etwa hat einen zerstückelten Schlaf mit wenig oder keinem Tiefschlaf, empfindet den Schlaf aber als tief und schwer störbar. In einer bedrohlichen Umgebung oder unsicheren Lebenslage schlafen die meisten Leute subjektiv oberflächlich und wachsam, ohne dass Messungen des Schlafs dieses Empfinden widerspiegeln können. Wissenschaftlich ist der Tiefschlaf ein Teil unseres 90-minütigen Schlafzyklus, der aber ohne die anderen Schlafstadien dieses Zyklus’ inexistent und bedeutungslos ist. Nicht das einzelne Schlafstadium, sondern der gesamte nonREM-REM-Schlafzyklus mit seiner Abfolge von nonREM-Schlafstadien und REM-Schlaf ist entscheidend für einen erholsamen Schlaf.  

    Letztendlich ist auch der Begriff «Schlaflabor» irreführend, wird er doch für drei komplett verschiedene Sachen verwendet. Entweder ist damit die Polysomnographie, also die Schlafregistrierung mithilfe der Ableittechnik, gemeint. Es kann aber auch der Raum, das Schlafzimmer an sich gemeint sein oder die schlafmedizinische Institution. Meines Erachtens trägt der Gebrauch dieses veralteten Begriffs dazu bei, dass falsche Vorstellungen darüber bestehen, wie in einem schlafmedizinischen Kompetenzzentrum gearbeitet wird. An erster Stelle steht immer die Schlafsprechstunde. Nur bei Verdacht auf ein unübliches, nicht selbst bemerkbares Verhalten im Schlaf, wie Atemaussetzer oder Bewegungsstörungen, ist eine Registrierung des Schlafs angebracht.

    Es scheint mir, als ob in der Bevölkerung ein falsches Bild der Schlafmedizin vorherrscht. Kann es sein, dass die Schlafmedizin/Somnologie bisher noch nicht wirklich in der Medizin selbst angekommen ist?

    Für die Schweiz ist Ihre Vermutung leider vielerorts nicht ganz falsch. Schlafmedizin wird nämlich im Medizinstudium bisher nur tangiert und hat sich hierzulande noch nicht als eigenes Fachgebiet hervorgetan. Weil die Somnologie im hiesigen Medizinsystem als wenig bedeutungsvoll behandelt und betrachtet wird, lohnt es sich für Ärzte auch nicht, sich darin zu spezialisieren. Um dem Schlafproblem eines Patienten gerecht zu werden, sind aber fundierte und umfassende Kenntnisse aller Schlafstörungen zwingend nötig. Das Einfordern schlafmedizinischer Kompetenz durch unzufriedene oder gar unprofessionell behandelte Patienten könnte der Entwicklung des Fachgebiets etwas Schub verleihen. Bevor man sich beispielsweise einer Untersuchung für Schlafapnoe unterzieht, kann man die Fachperson fragen, wie sie denn das Schlafproblem oder die Tagesschläfrigkeit behandeln wird, falls die Beschwerden nicht von einer schlafbezogene Atemstörung herrühren. Therapeuten mit Expertise in allen Schlaf-Wach-Störungen werden diese Frage beantworten und die zielführenden weiteren Untersuchungen beziehungsweise Therapien anbieten können. Im anderen Fall wird man nach erfolglosen Abklärungen oder Therapien an einen nächsten Spezialisten und weitere Untersuchungen überwiesen. Im Zentrum für Schlafmedizin setzen wir uns dafür ein, dass Patienten Zugang zu einer adäquaten Abklärung ihrer Schlaf-Wach-Beschwerden erhalten und auf dem Weg zu einer wirksamen Therapie begleitet werden.

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