Für Heuschnupfengeplagte beginnt mit dem Frühling eine nervige Zeit. Doch woher kommt das Kribbeln im Mund, wenn ein Birkenpollenallergiker einen Apfel isst?
Martin Währy, leitender Apotheker Im Dorf, und der Schaffhauser Allergologe Stefan Schwarzkopf erklären, wieso.
Martin Währy: Sehen kreuzreagierende Allergene in ihrer chemischen Struktur ähnlich aus?
Stefan Schwarzkopf: Ja, molekularbiologisch sehen die einzelnen Bausteine sehr ähnlich aus. So kann man auch erklären, dass beispielsweise bei Pollenallergikern oder Hausstaub-
milbenallergikern Kreuzreaktionen auftreten. Das heisst Allergene, seien es Pollenkörner oder Substanzen im Kot der Hausstaubmilben, können auch Nahrungsmittelallergien auslösen. Dies wird als Kreuzallergie bezeichnet. Bei einer Birkenpollensensibilität beispiels-weise juckt es gerne beim Essen von Äpfeln oder Steinobst in Mund und Rachen. Bei Hausstaubmilbenallergikern treten gelegentlich Kreuzreaktionen auf Crustacea wie Crevetten auf.
Martin Währy: Das ist sehr interessant. In der Apotheke ist es also wichtig zu fragen, ob es die Person beim Essen von Früchten juckt. Wie äussert sich die Kreuzreaktion auf ein Lebensmittel? Sind es dieselben Reaktionen, wie wenn man primär auf ein Nahrungsmittel reagiert?
Stefan Schwarzkopf: Nein, es tritt in der Regel eine andere, eine viel weniger heftige Reaktion auf. Es ist ja nicht das ‘richtige’ Eiweiss von beispielsweise einem Pfirsich, den man nicht verträgt. Wenn bei einem Birkenpollenallergiker, der auf Pfirsichkonsum im Mund mit Beschwerden reagiert, ein Bluttest gemacht wird, dann ist das reine Pfirsichallergen nicht nachweisbar. Denn der Patient hat ja eine Birkenpollenallergie und keine Pfirsichallergie. Das Allergen der Birke ist demjenigen des Pfirsichs sehr ähnlich, das Immunsystem kann das aber bei gewissen Individuen nicht unterscheiden. Somit treten Kreuzreaktionen nicht bei allen Allergikern auf! Bei einer Kreuzallergie kommt es zu Symptomen, die meist viel milder als bei einer echten allergischen Reaktion ausfallen. Diese Eiweisse, die für Kreuzreaktionen verantwortlich sind, sind hitzelabil, das heisst, gekochten Pfirsich kann man trotzdem essen. Der reine Pfirsichallergiker hingegen kann auch keinen gekochten Pfirsich essen, denn die spezifischen Pfirsich-Allergene sind hitzestabil. Mittels rekombinanter Allergenbestimmung lassen sich die Allergene im Blut nachweisen, Profiline beispielsweise sind für die Kreuzallergien zuständig, und somit jene Eiweisse, die oft nur milde Allergiesymptome auslösen. Zur Behandlung genügen in der Regel Antihistaminika, ein Adrenalin-Pen ist nicht nötig. Anders beim Erdnussallergiker: Erdnüsse besitzen verschiedene Allergene, nicht alle lösen gleich schwere Reaktionen aus. Und ein Allergiker reagiert auch nicht zwingend auf alle. Wenn man bei der Abklärung ein positives Allergen findet, das bekannt für schwerwiegende Reaktionen ist, dann gebe ich dem Patienten einen EpiPen, auch wenn er bei der ersten Reaktion nur mit einer Urtikaria, also einem schweren Hautausschlag, reagiert hat.
Und so können wir heute mit guter Diagnostik schon sehr gut die Risikotypen voraussagen. Erdnussallergie ist also nicht gleich Erdnussallergie.
Interessieren Sie sich für Allergien? Lesen Sie das ganze Gespräch zwischen Martin Währy und Stefan Schwarzkopf.
Zur Person
Dr. med. Stefan Schwarzkopf ist Schaffhauser Facharzt für Dermatologie und Venerologie und führt seit 2007 eine Facharztpraxis für Dermatologie sowie allergische Krankheiten in Schaffhausen.
www.dermazentrum-schaffhausen.ch
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