Chefapotheker Georg Merz feiert sein 25-jähriges Jubiläum bei der Volksapotheke Zum Rüden.
Im Interview wirft er einen Blick zurück und in die Zukunft.
Wie kam es zu deiner Berufung zum Apotheker?
Ich wuchs sozusagen in dieser Branche auf – mein Vater war Drogist. Ich kannte diesen Bereich gut, wollte aber mehr Möglichkeiten haben. Also habe ich an der ETH Pharmazie studiert.
Nach dem Studium hast du direkt in der Apotheke gestartet?
Ja, zuerst führten mich zwei Wanderjahre in eine Apotheke in Lugano, dann ein Jahr zu einem Dienstleister im Gesundheitswesen nach Genf. Schliesslich hat es mich zurück nach Schaffhausen gezogen, und zurück in die Apotheke. Im Januar 1995, also genau vor 25 Jahren, startete ich als Chefapotheker hier im Rüden, welcher gerade neu eröffnet wurde.
Gratulation zum Jubiläum! Du hast hautnah mitverfolgt, wie sich die Apotheker-Welt entwickelt hat. Was hat sich in dieser Zeit verändert?
Salben und Sirup haben wir früher noch täglich selber gemischt. Heute verkaufen wir fast nur noch fertige Arzneimittel, nur ab und zu mischen wir zwei oder mehr Substanzen zusammen, beispielsweise für Salben. Diese Arbeit vermisse ich aber nicht.
War das nicht etwas Schönes, eine Salbe mit den eigenen Händen herzustellen?
Doch, das war es. Diese Handarbeit war jedoch schlecht bezahlt: Eine Stunde Arbeit für eine Salbe konnten wir mit 12 Franken an die Krankenkasse verrechnen. Später kamen immer mehr Vorschriften für die Herstellung dazu. Das erhöhte den Aufwand, während der Preis gleich tief blieb. Eine andere, grosse Veränderung brachte der Roboter ROWA mit sich.
Was macht dieser ROWA denn?
Er holt Medikamente aus dem Lager und bringt sie direkt zur Kasse. Auch unterstützt er uns, wenn wir eine neue Lieferung erhalten. Die erhaltenen Packungen legen wir in einen Trichter, dann erkennt ROWA die Packung und legt sie in das richtige Fach in unserem Lager.
Über hundert Schubladen hatten wir früher hier in der Apotheke. Die raumhohen Gestelle brauchten viel Platz. Ganz zu schweigen von der wertvollen Zeit, die verloren ging, wenn wir für den Kunden die Packungen in sieben verschiedenen Schubladen heraussuchten. Der Apotheker war früher ein «Schubladenzieher».
Ihr beratet jetzt also den Kunden, während der Roboter die Packungen unten im Lager holt?
Genau, und das verkürzt die Wartezeiten für den Kunden. Der Roboter ist jetzt seit einem Jahr fleissig für uns im Einsatz. Ich hätte anfangs nicht erwartet, dass er uns so gut unterstützt. Er löst unser altes System mit den Minikarten ab.
Die sogenannten Minikarten sorgten früher für Ordnung in den über hundert Schubladen. In jeder Schublade hatte es immer zwei identische Minikarten. Darauf stand der Name und die Mindestanzahl des Medikaments, beispielsweise zwei Stück Aspirin. Nahm jemand die drittletzte Packung, sah er gleich, dass es eine Bestellung für Aspirin brauchte. Die doppelte Minikarte nahm man heraus und gab sie weiter für die Bestellung. Der Computer erkannte anhand des Lochmusters das Medikament für die Bestellung. Traf die Lieferung ein, konnten die Medikamente mit der Minikarte wieder in die alphabetisch geordneten Schubladen gelegt werden.
ROWA entlastet uns sehr, er verschafft uns Zeit für die Beratung. Wir sparen zudem Platz in der Apotheke, weil wir die Arzneimittel im Keller lagern und sie mit ROWA trotzdem schnell griffbereit haben.
Noch mehr Platz gibt es jetzt nach dem Umbau.
Stimmt. Die Ladenfläche verdoppelt sich nahezu, und wir nutzen jetzt zusätzlich das obere Stockwerk für administrative Arbeiten. Auch sind wir froh, wenn hier nach dem Umbau wieder Ruhe einkehrt. Trotz dem Baulärm haben viele Kunden zu uns gehalten, dafür sind wir dankbar. Als Genossenschaft sind wir stark verbunden mit den Schaffhausern.
Gibt es ein spezielles Ereignis, das die Volksapotheken besonders mit den Schaffhausern zusammengeschweisst hat?
Ja, eine Fusion drohte uns. Investoren wollten vor zehn Jahren verschiedene Apotheken aufkaufen. Ich hatte bereits den Verdacht, dass wir nach der Fusion weiterverkauft werden, also wehrten wir uns. Wir beteiligten unsere Kunden als Genossenschafter und gaben ihnen ein Stimmrecht. An der Generalversammlung waren die Investoren siegessicher und dachten, dass ihnen die Mehrheit für die Fusion sicher wäre. Sie wussten nicht, dass wir zusätzliche 20 Stimmen durch unsere Kunden geschaffen hatten. Dadurch konnten die Schaffhauser die Fusion abwenden und zeigen, dass die Volksapotheke ein Teil von Schaffhausen war und bleiben soll. Heute haben wir 7000 Genossenschafter.
Eine tolle Geschichte! Und welche Rolle übernehmen die Volksapotheken heute für Schaffhausen?
Wir liefern die Medikamente zu günstigen Preisen in einer guten Qualität. Im Prinzip sind die Volksapotheken also eine Art Non-Profit-Organisation, die mit wenigen Mitteln möglichst viel bewirken soll. Das ist eine sinnvolle und schöne Tätigkeit, die wir für die Schaffhauser ausüben dürfen.
2020 gibt es neue gesetzliche Regelungen. Was bedeutet das für die Volksapotheke und ihre Kunden?
Künftig erhalte ich mehr Dienstleistungen in der Apotheke, das reicht vom fachlichen Rat bis zur Impfung. Nach der Arbeit kurz in die Apotheke statt auf den Termin beim Arzt warten: so spare ich Zeit und Kosten. Ein Spitalbesuch im Notfall kostet einige hundert Franken, die Konsultation beim Apotheker rund 40 Franken. Der Apotheker verweist mich zum Arzt, wenn das notwendig ist. Meinen Blutdruck, den Blutzucker und die Cholesterinwerte kann ich ja schon länger in der Apotheke messen lassen.
Die Aus- und Weiterbildung steht bei der Volksapotheke schon lange im Zentrum. Eine Woche Weiterbildung pro Jahr ist ein fester Bestandteil des Arbeitsvertrags. Bei Neuerungen oder bei individuellem Bedarf organisieren wir zusätzliche Schulungen, damit wir fachlich gut gerüstet sind für die Zukunft.
Apropos Zukunft: Was würdest du jemandem mit auf den Weg geben, der ApothekerIn werden möchte?
Ich wünsche auf jeden Fall viel Erfolg, das Studium zum Erwerb des Diploms ist ein gutes Ziel. Es ist ein kurzer Weg im Vergleich zu 40 Jahren Tätigkeit. Man profitiert selbst, wenn man Arzneistoffe kennenlernt und weiss, was wie wirkt. Dazu kommt die Kundenberatung, die auch mir immer Freude bereitet hat: Zuhören und herausspüren, was Kunden brauchen. Helfen ist einfach etwas Schönes. Auch später als Chef steht das Helfen im Zentrum: Den Kunden helfen, den Mitarbeitern helfen und der Volksapotheke zum Erfolg verhelfen.