's Heftpflaster

    's Heftpflaster 03/22

    Top Thema, Gesundheit, HomeCare Nordstern

    Glücksfall-Tom

    Der grösste Wunsch von Eltern ist, dass ihr kleiner Schützling gesund sein und eine unbeschwerte Kindheit verbringen darf. Doch was, wenn das eigene Kind mit einer chronischen Krankheit diagnostiziert wird? Norina, eine betroffene Mutter, erzählt.

    Eine kühle Brise weht vom Meer her und spielt mit den blonden Locken des kleinen Jungen, der eifrig Sandburgen baut und dann begeistert ruft: «Schau Mama, die vielen Türme, die ich gebaut habe!» Norina lobt ihren kleinen Jungen und die Momente des Glücks treiben ihr Freudentränen in die Augen. Ihr kleiner Blondschopf hatte bereits im Traum zu ihr gesprochen: «Mama, ich bi nid gsund, aber das macht nüt!». Vergessen konnte sie diesem Traum nie und sollte ihn später deuten können.

    Tom kränkelt

    Die Geburt verlief ohne Auffälligkeiten. Der späte Abgang des Mekoniums – Kindspech (medizinische Bezeichnung: Mekonium) ist der schwärzlich-grüne, geruchlose Stuhl des Kindes, der sich während der Schwangerschaft ansammeltfiel Norina sofort auf. Jedoch liess sich Tom gut stillen, nur nahm er kaum ein Gramm zu. Nach zwei Monaten wog er noch gleich viel wie bei der Geburt. Zudem waren da die komischen Stuhlgänge. Beim nächsten forderte Norina vom Kinderarzt weitere Abklärungen. Dafür musste Tom in die Kinderklinik, in der man seinen Schweiss sammelte und den Kochsalzgehalt bestimmte. Man erklärte ihr, dass die Diagnose mit grösster Wahrscheinlichkeit zystische Fibrose laute, falls die Konzentration zu hoch sei. Verursacht durch ein defektes Gen, bildet dabei die Schleimhaut ein zähes Sekret, das vor allem die Funktion von Lunge, Bauchspeicheldrüse und Verdauungstrakt beeinträchtigt. Wäre dies der Fall, würde Tom für den Rest seines Lebens eine zeitintensive Therapie benötigen. Schlussendlich gebe aber nur ein Gentest die absolute Gewissheit. Er werde durchgeführt, wenn der Schweisstest positiv ausfalle. «Aber schon nach dem Schweisstest sagten mir die Ärzte, dass Tom wohl Mukoviszidose, ein anderer Name für zystische Fibrose, habe», ergänzt Norina. Irgendwie kam ihr die Sache so bekannt vor. Ein Kind im Bekanntenkreis hatte ähnliche Symptome und bekam eine Diagnose ohne Aussicht auf Heilung. Sie wusste: Der Weg vor ihnen wird nicht leicht werden.

    Der Lungenspezialist nahm sich Zeit und erklärte Norina alles ganz genau. Sie bekam einen Behandlungsplan, Inhalator, Medikamente und Vitaminpräparate. Das wichtigste Medikament darunter war ein Pankreasenzympräparat in Form kleiner Kügelchen, die sie Tom jeweils vor dem Stillen geben musste. Eine echte Herausforderung! Wie sollte ein dreimonatiges Kind wissen, dass es wichtig ist, die Kügelchen zu schlucken? Norina hatte den Dreh jedoch schnell raus: Sie verabreichte die Kügelchen unmittelbar vor dem Stillen, und sobald sie im Mund waren, setzte sie Tom zum Trinken an. So funktionierte es perfekt. Schon bald stellte sie erleichtert fest, dass Tom dank der Kügelchen, die er nun täglich schlucken musste, aufblühte. 

    Wie weiter?

    Nachdem bei Tom definitiv zystische Fibrose diagnostiziert wurde, gab es für Norina und ihren Mann nur eines: nach vorne schauen und Stärke für ihr Kind zeigen. Nach und nach klären sie ihr Umfeld auf. Die Fragen wiederholten sich: «Ist es heilbar? Wird es mit dem Alter besser? Ist die Lebenserwartung eingeschränkt?» Doch auf all diese Fragen konnten sie keine zufriedenstellende Antwort finden. Denn für individuelle Prognosen sind die Verlaufsformen zu unterschiedlich – selbst bei Geschwistern. Aber immerhin sind die Zeiten als zystische Fibrose ausschliesslich Kinderärzte beschäftigte, dank der sich stetig verbessernden Therapien vorbei. Auch das Gesicht der Erkrankung hat sich verändert: Betroffene studieren nun, arbeiten und gründen Familien.

    Positiv an Toms Krankheitsverlauf ist, dass die Lungen nicht so stark betroffen sind. Dennoch muss Tom bis heute zweimal täglich inhalieren. Einerseits, um den zähen Schleim in den Atemwegen zu lösen, und andererseits, um Medikamente direkt in die Lunge zu befördern. Tom kennt das Gefühl der Kurzatmigkeit und beschreibt es, als würde man durch einen Strohhalm atmen. Tom ist ein Glücksfall: Er bockt nicht, wenn er die Therapien durchführen muss. Er hilft sogar mit und erinnert seine Mutter daran. Zur Belohnung darf er währenddessen fernsehen.

    Die Ernährung

    Die Einnahme der verkapselten Enzyme wird ihn sein Leben lang begleiten. Die Enzyme sollen die Unterfunktion der Bauchspeicheldrüse korrigieren und Mangelernährung vermeiden. Die Ernährung ist ein wichtiger Bestandteil der Therapie. Im Vergleich zu anderen Kindern in seinem Alter sollte Tom eineinhalbmal so viele Kalorien zu sich nehmen und muss seine Speisen mit Butter und Ölen anreichern.

    Aber auch eine ausreichende Eiweisszufuhr ist wichtig, um den Muskelaufbau zu gewährleisten. Eine gute Gewichtsentwicklung steht mit einer besseren Lungenfunktion und einer längeren Lebensdauer im Zusammenhang, erklärte die Ernährungstherapeutin, die Tom seit klein an begleitet. Die Umsetzung im Alltag ist gar nicht so leicht. Darum hat sie Tom Ergänzungsnahrung verschrieben. Kleine Fläschchen zum Trinken, energiereich und kalorienhaltig. Er nennt sie «Powerdrinks».

    Toms Alltag

    Tom hat wohl die richtigen Eltern gewählt. Sie geben ihm die Freiheit, zu tun, was er mag und gut findet, seine Grenzen zu suchen und zu finden – auch im Sport. So entdeckte er seine Leidenschaft für Unihockey und versäumt kaum ein Training, geschweige denn ein Spiel. Die regelmässigen Übungen zur Kräftigung der Rumpfmuskulatur wirken sich positiv auf seine Lungenfunktion aus. Doch die Schule sei nicht wirklich sein Ding, wie er sagt, aber es müsse halt sein. Das Beste an der Schule seien die Pausen, da gehe es ganz schön rund. Hört man auf dem Pausenhof Gelächter, dann ist es sicherlich wegen Tom, dem kleinen Sprücheklopfer.

    Volksapotheke hilft

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