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    's Heftpflaster 02/20

    Top Thema, Gesundheit, Apotheke, Allergie, Heuschnupfen

    Allergien unter der Lupe

    Martin Währy, leitender Apotheker Im Dorf, diskutierte mit dem Schaffhauser Allergologen Stefan Schwarzkopf die verschiedenen Allergien und wie damit umgegangen werden sollte.

    Stefan Schwarzkopf: Eine Allergie ist eine Überreaktion des Immunsystems auf Eiweisse. Häufig haben Menschen eine Atopie, also die Veranlagung eines zu allergischen Reaktionen neigenden Immunsystems. Die Beschwerden hängen von der Art der Allergie ab. Lebensmittel können innerhalb von Minuten schwere Symptome auslösen, Materialien dagegen können durch Kontakt die Haut reizen und erst nach wenigen Tagen zu Ausschlägen führen.

     

    Martin Währy: Welche von den vier Allergietypen behandeln Sie am häufigsten?


    Stefan Schwarzkopf: Am häufigsten sind die Typ-I-Reaktionen, die Soforttypen, die durch IgE-Antikörper ausgelöst werden, sobald ein Allergenerkannt wird. Es folgt eine Ausschüttung von Histamin, das die Gefässe erweitert und zu Schwellungen führt. Beispiele dafür sind Heuschnupfen, Hausstaubmilben, Nahrungsmittel und Bienen- oder Wespengifte. Häufig sehe ich auch Typ IV-Reaktionen, die zelluläre Reaktion oder Kontaktallergie. Dabei wird den Immunzellen ein Antigen präsentiert, welches erkannt wird, worauf in den Lymphknoten Unterstützung rekrutiert wird. Nach 48 bis 96 Stunden ist eine Rötung am Ort des Kontakts erkennbar. Demgegenüber reagiert die antikörpergesteuerte Typ-I-Reaktion nach wenigen Minuten.

     

    Martin Währy: Menschen mit Kontaktallergien kommen oft zu mir in die Apotheke. Wir können sie gut mit einer schwachen Kortisonsalbe behandeln, falls der Ausschlag keine Blasen bildet, nicht grossflächig ist und sich nicht im Gesicht befindet. Stefan Schwarzkopf: Natürlich, das sollte zu Beginn ausreichen. Wichtig ist, die Allergie zu erkennen. Wo sind die Ausschläge und was ist deren Auslöser? Im Gesicht können dies Reinigungsgels, auf der Kopfhaut Färbemittel sein. Auch flüchtige Stoffe können Reaktionen auslösen, deshalb ist auch die Frage nach der Arbeit wichtig. Könnte eine Allergie damit zusammenhängen, ist eine Abklärung sinnvoll.

     

    Martin Währy: Wie gehen Sie vor, um eine Kontaktallergie zu diagnostizieren?


    Stefan Schwarzkopf: Wir haben diverse Hauttestungen mit berufsspezifischen Serien zur Verfügung. Bei diesem sogenannten Epikutantest werden die Allergene für 48 Stunden auf die Haut geklebt und nach 72 bis 96 Stunden wird der Test abgelesen. Gibt’s eine Substanz nicht, kann man einen Gebrauchstest selbst machen. Dabei wird das als Auslöser vermutete Produkt in die Ellenbeuge gestrichen. Rötet sich die Haut dort nach wenigen Tagen, ist die Unverträglich- keit des Stoffes bestätigt. Es reicht dann meist, Produkte dieser Firma zu meiden.

     

    Martin Währy: Wie ist es bei den Typ III-Allergien, den Medikamentenallergien?


    Stefan Schwarzkopf: Bei einer Typ III-Reaktion kommt es zu Ablagerun- gen an den Gefässwänden. Penicillin kann eine solche Allergie auslösen. Das Problem ist aber, dass die meisten Patienten mit dieser «Diagnose» gar nicht allergisch sind, sondern aufgrund einer kumulativ toxischen Reaktion mit einem Infekt und dem verabreichten Medikament einen Ausschlag hatten. Die ganz gefährliche Penicillinallergie ist antikörpermediiert, also eine Typ-I-Reaktion. Eine Tablette reicht und dem Betroffenen bricht schlimmstenfalls innert Minuten der Kreislauf zusammen.

     

    Martin Währy: Die Symptome, die erst ca. 3-5 Tage später auftreten, sind also nicht allergischer Natur?

     

    Stefan Schwarzkopf: In der Regel nicht. Hier reicht oft eine Salbe zur Behandlung des Hautausschlags aus. Die Missinterpretation ist problematisch, denn die Betroffenen erhalten keine Penicillin-Antibiotika mehr.

     

    Martin Währy: Dieses Phänomen wird also in der Allgemeinmedizin oft falsch interpretiert?


    Stefan Schwarzkopf: Leider, ja. Es haben erfreulich wenige eine echte Penicillinallergie. Dennoch gehört ein Ausschlag aufgrund eines Medikaments zur Abklärung zum Arzt. In der Apotheke ist der Zeitaspekt wichtig: Hat ein Patient das Medikament bereits vor Tagen genommen und hat nun einen Ausschlag oder ist der Ausschlag innerhalb von Minuten oder Stunden nach der Einnahme gekommen? Wenn Letzteres der Fall sein sollte, dann gehört der Patient sofort ins Spital.

     

    Martin Währy: Leute, die in die Apotheke kommen, behaupten oft, eine Sonnenallergie zu haben.


    Stefan Schwarzkopf: Als rein allergische Reaktion auf die UV-Strahlung versteht man die sogenannte «solare Urtikaria», bei der auf der Haut innerhalb von Minuten ein Ausschlag auftritt. Viele haben aber eine sogenannte polymorphe Lichtdermatose. Hierbei führt das UV-Licht in der Haut zu Eiweissveränderungen. Diese sind für das Immunsystem dann allergen und es schickt die zelluläre Abwehr. Dies dauert aber einige Stunden und der Ausschlag bleibt tagelang bestehen und juckt stark.

     

    Martin Währy: Sehen Allergene in ihrer chemischen Struktur ähnlich aus?
    Stefan Schwarzkopf: Ja. Das erklärt auch, wieso es Kreuzreaktionen gibt. Das heisst, Allergene, wie z.B. Birkenpollen, können eine pollenassoziierte Nahrungsmittelallergie, z.B. gegen Obst, auslösen (orales Allergiesyndrom).

     

    Martin Währy: Sehr interessant. Wie äussert sich eine solche Kreuzreaktion vom Schweregrad her?

     

    Stefan Schwarzkopf: In der Regel sind die ausgelösten Symptome milder Natur.


    Martin Währy: Pollenallergiker, besonders diejenigen, die nur auf kurz blühende Pflanzen reagieren, wollen der Ursache oftmals gar nicht richtig auf den Grund gehen, sondern suchen nur die kurzfristige Linderung der Symptome. So unterschätzen Viele ihre Allergie, im schlimmsten Fall kann sich dann Asthma entwickeln.

     

    Stefan Schwarzkopf: Da stimme ich Ihnen zu. Ein Patient geht immer von den Beschwerden zum jetzigen Zeitpunkt aus. Es macht Sinn, wenn Sie in der Apotheke den Patienten darauf sensibilisieren und allenfalls dazu bewegen, die Ursache allergologisch abzuklären.

     

    Martin Währy: Wir können jetzt neu in der Apotheke mit rezeptpflichtigen Medikamenten bis zu einem

    Monat behandeln. Wenn jemand eine genauere Abklärung benötigt, empfehlen wir, einen Spezialisten aufzusuchen.

     

    Stefan Schwarzkopf: Ich finde diese Triage in der Apotheke gut. Bedenken Sie dabei folgendes: Zum Arzt gehören erstens diejenigen, die zunehmende Beschwerden haben, zweitens jene, die Atembeschwerden haben, und drittens jene, die nicht auf Ihre Behandlungsmethode ansprechen.

     

    Martin Währy: Wie sollen Betroffene mit Allergien umgehen?


    Stefan Schwarzkopf: Ein wichtiger Begleiter ist das Notfallset. Man muss aber unterscheiden, ob da wirklich ein EpiPen mit Adrenalin reingehört. Adrenalin überbrückt Atembeschwerden und Kreislaufkollaps kurzfristig. Doch so eine Spritze kann auch Ängste auslösen. Deshalb gebe ich diesen nur den Risikopatienten, bei denen es wirklich gefährlich werden kann. Dann ist die Instruktion des Umfelds wichtig. Gerade bei einem Kind mit einer Erdnussallergie müssen die Lehrer instruiert werden und einen EpiPen an der Schule haben.

     

    Martin Währy: Wie sieht es mit der gesellschaftlichen Entwicklung der Allergien aus? Sind sie häufiger geworden?

     

    Stefan Schwarzkopf: Ja, ich würde schon sagen, dass sie häufiger worden sind. Und der Hauptgrund dafür ist die Sauberkeit. Allergologisch betrachtet, ist dreckig gesund. Lange hat man gesagt, Kinder sollten beispielsweise bestimmte Nahrungsmittel meiden. Heute sagt man das Gegenteil: Umso mehr Verschiedenes, desto besser.

     

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    Zur Person:

    Dr. med. Stefan Schwarzkopf ist Schaffhauser Facharzt für Dermatologie und Venerologie und führt seit 2007 eine Facharztpraxis für Dermatologie sowie allergische Krankheiten in Schaffhausen.

    www.dermazentrum-schaffhausen.ch

     

     

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