's Heftpflaster

    's Heftpflaster 01/23

    Top Thema, Gesundheit, Im Gespräch, Ernährung

    Wie hängen Ernährung und Müdigkeit zusammen?

    Superfoods, Entschlackungskuren und Wunderdiäten: Ernährungsthemen liegen im Trend. Doch worauf kommt es wirklich an? Wir haben mit den Ernährungstherapeutinnen Caroline Hofmann und Brigitt Gächter gesprochen.

    Im Winter fühlen sich viele Menschen müder als sonst. Was ist der Grund? Hat dies auch mit der Ernährung zu tun?

    Caroline Hofmann: Müdigkeit kann viele Ursachen haben. Im Winter wirken die kurzen und dunkleren Tage ermüdend. In dieser Zeit haben wir auch tendenziell Appetit auf deftigeres Essen. Dieses ist schwerer verdaulich, braucht also mehr Energie und macht uns müder.

    Brigitt Gächter: In der kalten Jahreszeit essen wir zudem Lebensmittel, die durch längere Lagerung Mikronährstoffe verloren haben und so dem Körper nicht mehr gleich viel Nährstoffe liefern. Speziell der Vitamin-C-Gehalt ist in den Lebensmitteln viel tiefer als im Sommer.

    Caroline Hofmann: Die letzten Wochen des Jahres sind häufig stressig und man vernachlässigt die ausgewogene Ernährung. Weil wir uns im Winter seltener draussen aufhalten, bekommen wir weniger frische Luft. All diese Begebenheiten können müde machen.

    Wenn sich ein Patient über Müdigkeit beklagt, dann frage ich nach solchen potenziellen Ursachen, schlage punktuell Anpassungen vor und beobachte, ob sich etwas verändert.

    Brigitt Gächter: Ich lege ein besonderes Augenmerk auf den Tagesablauf: Was wird wann gegessen? Wie spät vor dem Schlafengehen wird noch gegessen? Ist die Person tendenziell eine Nachteule oder eine Morgenlerche? Wird diese natürliche Veranlagung in der Tagesstruktur beachtet oder hat sich jemand an ungünstige Strukturen gewöhnt? Caroline Hofmann: Wenn sich die Müdigkeit trotz Lebensstil-Anpassungen nicht verringert, dann sollte die Ursache unbedingt ärztlich

    abgeklärt werden. Denn Müdigkeit kann auch als Symptom auf eine Krankheit hinweisen.

    Sie haben unausgeglichene Ernährung als Müdigkeitsfaktor genannt. Können Sie das genauer ausführen?

    Caroline Hofmann: Durch eine einseitige Ernährung kann eine Unterversorgung an Mineralstoffen und weiteren Mikronährstoffen entstehen. Die Empfehlungen, wie viel von einem Mikronährstoff konsumiert werden sollte, sind in der Regel am unteren Ende des eigentlichen Bedarfs angesiedelt. Häufig werden aber nicht einmal die empfohlenen minimalen Tagesdosen eingenommen. Wenn jemand durch veränderte Lebensumstände oder beispielsweise mehr Sport einen höheren Bedarf an Mikronährstoffen hat, geht das nicht mehr auf. Man lebt dann eigentlich in einer konstanten Unterversorgung, die sehr müde machen kann.

    Zurzeit beobachten wir einen starken Trend in Richtung vegane oder umweltbewusste Ernährung: In der Tendenz haben solche Ernährungsformen häufig eine Mangelernährung zur Folge. Eine Supplementierung bestimmter Mikronährstoffe ist fast immer notwendig. Im Winter verschärft sich die Unterernährung in der Regel zusätzlich.

    Brigitt Gächter: Was wir uns bewusst machen müssen: Was mein Körper heute zur Verfügung hat, ist durch die Ernährung über die letzten Monate hinweg entstanden. Im Umkehrschluss ist eine Mangelernährung auch nicht von heute auf morgen korrigierbar. Das braucht eine gewisse Zeit.

    Wie funktioniert unsere Verdauung?

    Brigitt Gächter: Unser Verdauungssystem ist hochkomplex und die Wissenschaft beginnt erst gerade, es verstehen zu lernen. Grundsätzlich kann man sagen, dass die Verdauung noch ausserhalb des Körpers, also vom Mund bis zum Darmausgang stattfindet. Der Stoffwechsel beginnt dann, wenn die Nährstoffe durch die Darmwand in den Körper aufgenommen werden. Wir scheinen sehr viel von unseren Urvätern und -müttern geerbt zu haben. Das zeigt sich beispielsweise darin, welche körpereigenen Enzyme uns zur Verfügung stehen und welche nicht, um bestimmte Makro- und Mikronährstoffe zu verdauen.

    Caroline Hofmann: Für die Verdauung ist gutes Kauen wichtig. Achtsames Kauen beeinflusst die Geschwindigkeit des Essens, wodurch wir uns weniger überessen.

    Brigitt Gächter: Die Aufspaltung im Magendarmtrakt ist ein hochkomplexer biochemischer Prozess, der die Nahrung in kleinste Teile aufspaltet. Nahrungsfasern sind wichtige Helfer für den Transport der Nahrung durch den Darm und bilden die Grundnahrung des Mikrobioms.

    Was kann die Verdauung aus der Balance bringen und was sind die Folgen?

    Caroline Hofmann: Ursachen gibt es viele. Sie sind so individuell wie wir Menschen. Ein häufiger Auslöser ist beispielsweise Stress, der zu einer verlangsamten Verdauung und so zu Verstopfung oder auch zu Durchfall führen kann. Manche haben dann das Gefühl, es wäre wieder mal Zeit für eine Entschlackungskur. Diese kann punktuell sinnvoll sein, ist jedoch nicht das Allheilmittel, als welches es teils verkauft wird. Viel wichtiger ist, dass die Basis der Ernährung stimmt und allenfalls angepasst wird.

    Brigitt Gächter: Die Vorstellung, man könne mit Entschlacken den Darm auf null setzen, stimmt so nicht. Die Verdauung ist ein fortwährender Prozess. Problematisch ist aber das kontinuierliche Essen. So hat der Darm nie Pause. Sinnvollerweise würden wir unserem Darm nach dem Abendessen eine mindestens achtstündige Pause gönnen.

    Wie geht man Verdauungsprobleme systematisch am besten an?

    Brigitt Gächter: Langfristig lässt sich viel optimieren, indem die Art und die Menge der Ernährung und der Zeitpunkt des Essens dem eigenen Körper angepasst wird. Kurzfristig kann man die akuten Symptome wie Durchfall oder Verstopfung medikamentös behandeln, häufig aber nicht deren eigentliche Ursache.

    Caroline Hofmann: Häufig wird ablehnend oder gar krankhaft gewertet, wenn sich die Verdauung bemerkbar macht. Beispielsweise sind Blähungen heutzutage unerwünscht. Dabei wären sie normal und würden meist gar nicht auffallen, weil die Winde geruchlos sind und durch Bewegung wieder verschwinden. Natürlich gibt es auch übermässige Blähungen und Beschwerden, die auf eine Krankheit hinweisen könnten. Aber viele beginnen schon beim ersten Anzeichen von natürlichen Blähungen, Lebensmittel kategorisch wegzulassen und riskieren so eine Mangelernährung.

    Wie hängen Verdauung und Immunsystem zusammen?

    Brigitt Gächter: Die Ernährung hat einen Einfluss auf unser Mikrobiom, das unser Immunsystem und dessen Funktion beeinflusst. Das Mikrobiom bezeichnet die Gesamtheit aller Mikroorganismen, die unseren Darm besiedeln und uns bei der Verdauung und dem Stoffwechsel helfen. Es ist abhängig von unserer Ernährung, weshalb eine möglichst abwechslungsreiche Ernährung essenziell ist. Caroline Hofmann: Wichtige Mikronährstoffe für das Immunsystem sind beispielsweise Vitamin D, Selen und Zink. Auch Vitamin B12 ist essenziell. Eine genaue Auflistung ist schwierig, da die Grenzen stark verschwimmen. Unser Körper braucht eine gute und ausgewogene Ernährung, um optimal zu funktionieren. Sie gibt uns Energie, stärkt und unterstützt unser Immunsystem und kann uns vor Krankheiten schützen. Eine gesunde Ernährung ist die Basis für unser Wohlsein und eine Investition in die Zukunft.

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