Stimmungstief vs. Depression

Geschrieben von Volksapotheke | 29.11.2021 09:29:24

Im Gespräch mit PD Dr. med. Bernd Krämer vom Psychiatriezentrums Breitenau der Spitäler Schaffhausen erörtert Claudia Philippek den Ursprung von Depressionen und wie sie frühzeitig erkannt und behandelt werden können.

Ein Kunde kommt mit einer Verstimmung in die Apotheke. Welche Fragen stellen wir, um ein vorübergehendes Stimmungstief von einer Depression abzugrenzen?

Ein wichtiges Erkennungsmerkmal einer Depression ist, dass sich jemand länger als vier Wochen fast durchgängig niedergeschlagen fühlt. Dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es sich um eine Depression und nicht nur um ein Stimmungstief handelt. Ausserdem ist die Kombination von depressiver Stimmungslage und der Verlust an Interessen und Freude an fast allen Aktivitäten ein wichtiges Kriterium, das auf ca. 90 Prozent der depressiven Menschen zutrifft. Besteht erst ein Verdacht, muss spezifischer abgefragt werden, ob zum Beispiel Lebensüberdruss, niedriger Selbstwert, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, körperliche Symptome oder ein Libidomangel vorliegen. Je nach Anzahl erfüllter Depressionskriterien nach ICD-10 werden die Beschwerden einer leichten, mittelschweren oder schweren Depression zugeordnet.

Wie gilt es, die Triage in den Apotheken zu steuern? Wann muss ein Patient zum Arzt geschickt werden?

Bei Menschen mit leichter Depression ist die Überweisung an einen Arzt nicht dringend notwendig. Anhand von aktiv-abwartender Begleitung («watchful waiting») kann dem Patienten beispielsweise ein Johanniskraut- oder ein Safran-Melisse- Präparat empfohlen und nach einer Woche kontrolliert werden, wie es der Person geht. Gerade, wenn eine Person eine Vorliebe für Naturheilmittel hat, sind solche Präparate eine gute Option. Bei leichten bis mittelschweren Depressionen wirken sie nämlich ähnlich wie klinische Produkte. Der Patient sollte aber in der Apotheke informiert werden, dass auch Johanniskrautprodukte in therapeutischer Dosierung Neben- und Wechselwirkungen haben können.

Bei einer mittelschweren Depression kann der Hausarzt entweder Psychotherapie oder eine Psychopharmaka-Therapie empfehlen. Wenn der Patient zuverlässig ist, kann auch hier mit einer Überweisung an den Facharzt gewartet werden und bei wöchentlichen Kontrollen überprüft werden, ob die Behandlung vertretbar ist. Je nachdem ist die Überweisung zum Facharzt für Psychiatrie empfehlenswert. Bei einer schweren Depression werden Psychotherapie und Psychopharmaka kombiniert und Fachspezialisten begleiten die Therapie. Essenziell ist die Begleitung des Psychiaters auch dann – egal, ob leichte, mittelschwere oder schwere Depression – wenn der Lebensüberdruss in die Suizidalität umschwenkt.