Den Schlaf verstehen

Geschrieben von Volksapotheke | 14.10.2021 07:09:36

Der Somnologe Dr. Daniel Brunner setzt sich seit rund zwanzig Jahren dafür ein, dass Insomnie-Patienten Zugang zu wissenschaftlich fundiertem Wissen über Schlafprobleme haben.

 

Würden Sie sich zu Beginn vorstellen und von Ihrem Werdegang erzählen?
Ursprünglich studierte ich Neurobiologie, untersuchte in der Diplomarbeit die Verhaltensbiologie der Orientierung von Insekten und doktorierte danach in der Schlafforschung zum Thema Schlafregulation beim gesunden Menschen. Im Post-Doktoranden-Studium in der Chronobiologie beschäftigte ich mich mit dem Schlaf bei der Winterdepression. Danach belegte ich in Pittsburgh, USA, eine Assistentenstelle (Fellowship) in der Schlafmedizin und absolvierte die Ausbildung und Fachprüfung zum klinischen Spezialisten für Schlafmedizin. Etwa zur gleichen Zeit starteten in der Schweiz erste Institutionen damit, spezialisierte Abklärungen und Therapien von Schlaf-Wach-Störungen anzubieten. Somitwar mein Wissen auch in der Schweiz gefragt und ich konnte meine erworbenen Kenntnisse in der Klinik für Schlafmedizin, Bad Zurzach anwenden und weitergeben. Seit Dezember 1998 bin ich als somnologischer Leiter und Geschäftsführer des Zentrums für Schlafmedizin Hirslanden tätig.

 

In der Apotheke kennen wir vor allem jene, die kurzfristig wegen etwas nervös sind, deswegen im Gedankenkarussell stecken und nicht schlafen können. Welche anderen Schlafstörungen sind häufig? Neben der akuten Insomnie, die Sie gerade beschrieben haben, ist die Schlafapnoe, also die wiederkehrenden Atemaussetzer während dem Schlaf, sehr häufig und allgemein bekannt. Kein Wunder, fast 50 % der Männer haben zumindest eine leichte Form davon. In relevanter Ausprägung liegt sie bei 3-5% der Bevölkerung vor. Dennoch ist die Schlafapnoe lange nicht immer die Hauptursache eines Schlafproblems, weshalb es für eine klinisch sinnvolle Diagnose und zielführende Therapie ein breites Wissen über alle Schlafstörungen braucht. Jemand mit einer Insomnie, meist ausgelöst durch eine Stresssituation, wird bei erheblichem Leidensdruck oft in eine psychologisch orientierte Behandlung geschickt. Wenn aber das fundierte Wissen zu Schlaf und Schlafstörungen fehlt, kann je länger je mehr die Schlaflosigkeit an sich zum Hauptstressor werden, der einen normalen Schlaf verhindert. Ein Teufelskreis nimmt seinen Lauf. Deshalb kann es richtig sein, Patienten mit akuter Insomnie kurzfristig mit einem Medikament aufzufangen, sodass sie nicht durch Unwissen über normale Schlafprozesse, durch falsche Erwartungen und kontraproduktive Verhaltensänderungen in eine chronische Insomnie geraten. Von Letzterer spricht man, wenn Schlafprobleme länger als drei Monate und häufiger als dreimal in der Woche auftreten.